Erbschaftssteuer verstehen, richtig handeln – Expertentipps für Erblasser und Erben.

Erbschaftssteuer verstehen, richtig handeln - Expertentipps für Erblasser und Erben.

47. Berliner Immobiliengespräch

Wann: 17. Oktober 2023, 19:00 Uhr via Zoom
Experte: Rechtsanwalt & Notar Tobias Scheidacker

Auszug aus dem Gespräch:

Willkommen zum 47. Berliner Immobiliengespräch. Heute das Thema Erbschaft und Steuern. Wir haben heute zu Gast unseren Notar Tobias Scheidacker.

Tobias Scheidacker: Erben und Schenken sind eng miteinander verknüpft. Das Sprichwort sagt: Erben ist das Geben mit der kalten Hand, während Schenken das Geben mit der warmen Hand bedeutet. Beide Handlungen sind steuerlich oft ähnlich, insbesondere im Hinblick auf die Erbschaftssteuer. Ob man Vermögen zu Lebzeiten verschenkt oder erst nach dem Tod weitergibt, aus steuerlicher Sicht gibt es viele Überschneidungen. Es ist wichtig, diese Prozesse sowohl rechtlich als auch zeitlich richtig zu planen, um den optimalen Nutzen zu erzielen. Es gibt beispielsweise Regelungen, die es ermöglichen, Vermögenswerte zu übertragen und dennoch die Erträge zu behalten. Zudem gibt es auch die bekannte 10-Jahresfrist im Erbrecht. Mit einer sorgfältigen Planung können Sie diese Regelungen zu Ihrem Vorteil nutzen. Es lohnt sich, sich eingehend zu informieren und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.

Achim Amann: Bevor wir tiefer ins Thema eintauchen, möchte ich kurz auf deinen beeindruckenden Werdegang eingehen. Du bist ja schon seit einigen Jahren im Notariat tätig. Aber davor warst du als Rechtsanwalt unterwegs, richtig? Aus unserem Vorgespräch konnte ich entnehmen, dass du dich als Anwalt besonders auf das Mietrecht spezialisiert hattest. Du hast mir erzählt, dass du fast zwei Jahrzehnte in diesem Bereich gearbeitet hast.

Tobias Scheidacker: In Berlin kann man sowohl Rechtsanwalt als auch Notar sein. Ich habe beide Qualifikationen. Aber seit meiner Zulassung als Notar liegt mein Arbeitsschwerpunkt eindeutig im Notariellen, weniger im Anwaltlichen.

Achim Amann: Beginnen wir mit der ersten Frage. "Kannst Du die verschiedenen Übertragungsarten erläutern und insbesondere die Vorteile für den Erblasser hervorheben?"

Tobias Scheidacker: Nun, es gibt verschiedene Methoden, wie Vermögenswerte übertragen werden können. Ich nehme an, mit 'Übertragungsart' könnte 'Schenken versus Vererben' gemeint sein. Es gibt auch die Möglichkeit, jemanden als Erben einzusetzen oder jemandem ein Vermächtnis zu hinterlassen.

Beim Schenken hat man den Vorteil, dass man dies mehrmals tun kann, insbesondere unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte. Es gibt Freibeträge, die alle zehn Jahre erneuert werden. Also, wenn jemand ein großes Vermögen besitzt, könnte es sinnvoll sein, frühzeitig mit dem Schenken zu beginnen.

Andererseits gibt es auch den Ansatz, alles auszugeben, was man im Laufe des Lebens verdient hat, und nur das Übrige zu hinterlassen. Wenn man jedoch Vermögenswerte verschenkt, gehört es dem Beschenkten und kann nicht mehr verkauft werden. Ein Nachteil beim reinen Vererben ist, dass es steuerlich ungünstiger sein kann, alles auf einmal zu übertragen. Kurz gesagt, die Wahl zwischen Schenken und Vererben hängt von den Zielen des Erblassers ab.

Achim Amann: "Wenn jemand eine Schenkung von unter 12.000 Euro macht und keine Steuer anfällt, muss dies dem Finanzamt gemeldet werden? Und was passiert, wenn man eine solche Mitteilungspflicht nicht erfüllt?"

Tobias Scheidacker: Als Notare sind wir verpflichtet, jegliche Schenkungen, die wir beurkunden, dem Finanzamt anzuzeigen, unabhängig vom Betrag. Die entsprechenden Vorschriften hierzu finden sich im §34 des Erbschaftssteuergesetzes und in §8 der Erbschaftssteuer-Durchführungsverordnung. Sobald eine Schenkung beurkundet wird, ist das erste, was wir tun, diese dem Finanzamt zu melden. Ähnlich verhält es sich bei Grundstückskaufverträgen.

Was die Freigrenze betrifft: Als Notar habe ich keinen Überblick darüber, ob in den letzten zehn Jahren bereits Schenkungen gemacht wurden, die bei der aktuellen Schenkung hinzugerechnet werden müssten, oder ob in der Zukunft welche geplant sind. Das Finanzamt wird das selbst feststellen wollen.

Die allgemeine Regelung besagt, dass bei Schenkungen unter 20.000 Euro keine Steuererklärung erforderlich ist. Wenn jedoch eine Melde- oder Erklärungspflicht besteht und diese nicht erfüllt wird, wäre das eine versäumte Steuererklärung. Das ist strafbar und kann zu weiteren Kosten führen.

Achim Amann: Ja, die schicken dann zum Anwalt für Strafrecht, Steuerstrafrecht.

Tobias Scheidacker: Ja, richtig.

Achim Amann: "Frage: Ich möchte meine zwei Mehrfamilienhäuser an meinen Sohn vererben. Aber ich brauche unbedingt das Nießbrauchrecht, da die Mieteinnahmen meine Rente sind. Meine zwei Töchter sollen hierbei nicht berücksichtigt werden, weil sie schon Immobilien vor Jahren bekommen haben. Ist das machbar?"

Tobias Scheidacker: Die Frage besteht aus zwei Teilen. Erstens, ist es möglich, weiterhin die Erträge der Immobilie zu erhalten? Zweitens, wie kann ich sicherstellen, dass ich mein Vermögen entsprechend auf meine Kinder verteile, sodass meine Töchter, die bereits Immobilien erhalten haben, nicht erneut berücksichtigt werden?

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ja, das ist definitiv möglich. Der sogenannte "Nießbrauch" ist genau das richtige Instrument dafür. Mit dem Nießbrauch behalten Sie sich das wirtschaftliche Eigentum an der Immobilie vor, übertragen aber das rechtliche Eigentum. Das bedeutet konkret, dass Ihr Sohn als Eigentümer der Immobilie im Grundbuch eingetragen wird. Trotzdem erhält er nicht die Mieteinnahmen oder andere Erträge aus der Immobilie – diese gehen weiterhin an den Inhaber des Nießbrauchs, also an Sie. Dies kann innerhalb des Schenkungsvertrags festgelegt werden und wird dann auch so im Grundbuch vermerkt: Einmal der Wechsel des Eigentums und zum anderen der eingetragene Nießbrauch in der zweiten Abteilung des Grundbuchs. Ein weiterer Vorteil: Steuerlich gesehen ist dies oft günstiger als eine Schenkung ohne Nießbrauch. Der Grund: Der Wert der Immobilie wird durch den vorbehaltenen Nießbrauch gemindert. Das bedeutet, dass der Freibetrag für Schenkungssteuern nicht so schnell überschritten wird. Ein Beispiel: Nehmen wir an, der Sohn hat einen Freibetrag von 400.000 Euro für die Schenkungssteuer. Wenn der Vater eine Immobilie im Wert von 500.000 Euro verschenkt, aber den Nießbrauch für sich behält, kann es sein, dass durch den Nießbrauch der steuerliche Wert der Schenkung so weit reduziert wird, dass keine Schenkungssteuer anfällt. Dies muss jedoch individuell berechnet werden. Bei zwei Mehrfamilienhäusern könnte es sinnvoll sein, die Übertragung gestaffelt vorzunehmen, um den steuerlichen Freibetrag mehrmals nutzen zu können.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wenn Sie Ihre Töchter bei dieser Übertragung nicht berücksichtigen möchten, da sie bereits Immobilien erhalten haben, gibt es Regelungen, die Schenkungen auf spätere Pflichtteilsansprüche anrechnen. Es kann jedoch kompliziert werden. Eine Möglichkeit wäre, mit den Töchtern eine Vereinbarung zu treffen, in der sie auf ihren Pflichtteil verzichten. Das hätte zur Folge, dass sie, sollten sie enterbt werden, auch keinen Anspruch auf den Pflichtteil hätten. Wenn nun die beiden Mehrfamilienhäuser, die das Hauptvermögen darstellen, an den Sohn übertragen werden, hätte dieser letztlich alles. Durch den Verzicht der Töchter auf ihren Pflichtteil wären keine weiteren Ansprüche zu befürchten, und die Vermögensübertragung wäre in Ihrem Sinne geregelt.

 Achim Amann: Aber das müssen die Kinder freiwillig machen, oder?

Tobias Scheidacker: Ja, dazu kann man sie natürlich nicht zwingen. In den meisten Familien verlassen sich die Eltern darauf, dass die Geschwister harmonisch miteinander umgehen und es wegen des Geldes keinen Streit gibt. Aber wenn man Zweifel hat oder sicherstellen möchte, dass nach dem eigenen Ableben alles reibungslos verläuft, wäre ein solcher Verzicht auf den Pflichtteil eine mögliche Lösung.

Achim Amann: Und es spielt eine Rolle, in welchem Ort die beiden Mehrfamilienhäuser stehen und in welchem Zustand sie sind.

Tobias Scheidacker: Ja, das kann durchaus relevant sein, genauso wie vorangegangene Schenkungen. Auch das Alter der beteiligten Personen und eventuell andere in Frage kommende Erben oder Begünstigte können eine Rolle spielen. Dies erfordert wirklich eine individuelle Beratung, bei der man sich alles genau ansieht: Was gibt es aktuell? Was wurde bereits verschenkt? Wie hat sich die Situation entwickelt und wie soll sie in der Zukunft gestaltet werden?

Achim Amann: Wie läuft das ab, wenn ich beispielsweise meinem Sohn etwas schenken möchte und zu dir komme? Muss ich dann zuerst einen Termin buchen? Und wie sieht es mit den Kosten aus? Gibt es einen Stundensatz oder eine Beratungsgebühr?

Tobias Scheidacker: Wenn ich das in meiner Funktion als Notar mache, dann richtet sich die Gebühr nach dem Notarkostengesetz. Ich muss zugeben, ich kenne nicht jeden Gebührensatz auswendig, aber es gibt feste Regelungen dafür. Das ist also gesetzlich vorgegeben. Wenn aus dem Gespräch dann eine Beurkundung resultiert, ist die Beratung im Grunde Teil dieser Beurkundungsgebühr – sie ist also inkludiert. Das bedeutet, die Klienten erhalten eine Beratung und verstehen genau, was sie tun. Man zahlt also nicht für Beratung und Beurkundung separat. Wenn jemand nur eine Beratung möchte und keine  Beurkundung daraus folgt, dann gibt es dafür eine separate Gebühr.

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